Scheinselbstständigkeit
– Scheinselbständigkeit – Rechtliches
Scheinselbstständig sind Personen, die als Selbstständige auftreten aber im Sinne der Sozialversicherung Arbeitnehmer sind. Die Bezeichnung der Tätigkeit oder eine Anmeldung eines Gewerbes ist dabei nicht entscheidend. Allein die Tätigkeit, wie sie gelebt wird, ist ausschlaggebend, ob es sich um eine wirkliche Selbstständigkeit oder Scheinselbstständigkeit handelt.
Kosten einer Scheinselbstständigkeit
Häufig prüft die Deutsche Rentenversicherung innerhalb der sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung auch die freien Mitarbeiter – Konto Fremdleistungen. Die Rechnungen werden mit möglichen Zahlungen von Rentenversicherungsbeiträgen der Honorarkräfte bzw. Freiberuflern abgeglichen. Schließlich prüft die Deutsche Rentenversicherung die Tätigkeiten der freien Mitarbeiter auf eine mögliche Scheinselbstständigkeit.
Wird bei der Prüfung festgestellt, dass die Tätigkeit der „Selbstständigen“ mit vielen Aspekten auch von einem Angestellten durchgeführt werden könnte oder sogar werden, kann das Ergebnis der Betriebsprüfung mit einer sehr hohen Rechnung (Bescheid) enden. Die Prüfungsdetails sind im Teil
Scheinselbstständigkeit – Prüfungsdetails der Deutschen Rentenversicherung
aufgeführt.
Wird gegen eine Selbstständigkeit der Honorarkraft bzw. des freien Mitarbeiters entschieden (Scheinselbstständigkeit), werden alle Arten von Sozialversicherungsbeiträgen geprüft und ggf. nachgefordert. Diese sind Beiträge der Rentenversicherung-, Krankenversicherung-, Pflegeversicherung- und Arbeitslosenversicherung. Die Beiträge werden von beiden Parteien, also Arbeitgeber (vorher Auftragnehmer) und vom „Selbstständigen“, jetzt Arbeitnehmer addiert und dem Arbeitgeber gesamt belastet. Hinzu kommen noch die Beiträge für Umlagen, Berufsgenossenschaft etc. Zudem können Säumniszuschläge in Höhe von 1 % pro Monat (12 % p.a.) nach § 24 SGB IV erhoben werden.
Die Verjährungsfrist für die Sozialversicherungsbeiträge und Nebenkosten beläuft sich im Normalfall auf vier Jahre. Nachzahlungsfristen verlängern sich auf 30 Jahre bei vorsätzlich vorenthaltenden Beiträgen nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 SGB IV). Bei vorsätzlichem Handeln kann ggf. der § 266a StGB (Strafgesetzbuch) in Betracht kommen, da es sich dann um Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt handelt. Dabei reicht es aus, wenn der Lohn geschuldet wurde, eine tatsächliche Auszahlung ist nicht von Bedeutung.
Der Arbeitnehmer (vorher Schein-Selbstständige) kann nur bei drei Lohn- und Gehaltszahlungen im laufenden Arbeitsverhältnis mit seinen Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch genommen werden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass diese Vorgehensweise nur möglich ist, wenn der Abzug der Sozialversicherungsbeiträge innerhalb der Lohnabrechnung ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist (§ 28g SGB IV). Ist der Mitarbeiter bereits aus dem Unternehmen ausgeschieden, ist eine Korrektur der drei Monate in den meisten Fällen nicht mehr möglich.
Auch für den „Selbstständigen“ besteht ein Risiko: Sind die vom Scheinselbstständigen erhaltenen Gelder höher als der übliche Angestelltenlohn, muss er die Differenz erstatten (BSG-Urteil vom 26.06.2019 – 5 AZR 178/18).
Prüfungsdetails einer möglichen Versicherungspflicht
Geregelt sind die Voraussetzungen im § 2 Sozialgesetzbuch VI (SGB):
Versicherungspflichtig sind selbständig Tätige
- Personen, die
- a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
- b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
Selbständige mit einem Auftraggeber sind somit Personen, die
- im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen UND
- auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (bei Gesellschaften gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft)
Diese Scheinselbständigkeit wird häufig verwechselt mit der Statuseinschätzung, also der Frage, ob überhaupt eine Selbstständigkeit vorliegt. Diese Frage wird jedoch zuerst von der Deutschen Rentenversicherung geprüft und erst bei Vorliegen der Selbstständigkeit wird geklärt, ob es sich um einen Selbstständigen mit einem Auftraggeber handelt.
Ein weiterer Begriff, der in früheren Jahren angewandt wurde, ist der „arbeitnehmerähnliche Selbstständige“. Auch hier handelt es sich um den Selbstständigen mit einem Auftraggeber.
Die Prüfung der Scheinselbstständigkeit orientiert sich NICHT an den arbeitsrechtlichen und auch nicht an den steuerrechtlichen Normen. Arbeitsrechtlich kann es sich somit durchaus um eine Art Selbstständigkeit handeln (zum Beispiel ein Geschäftsführer mit sehr weitreichenden Befugnissen), auch beim Steuerrecht wird die Anmeldung als Selbstständiger nur steuerrechtlich betrachtet (zum Beispiel ein Gewerbe angemeldet). Es müssen mehrere Voraussetzungen vorliegen, damit die Rentenversicherungspflicht vorliegt. Und zwar
- keine Beschäftigung eines Mitarbeiters UND
- auf Dauer nur für einen Auftraggeber tätig UND
- im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.
Erst wenn alle drei Voraussetzungen vorliegen, greift die Versicherungspflicht. Im Umkehrschluss liegt also keine Versicherungspflicht vor, sobald EINE Voraussetzung NICHT erfüllt wird.
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(K)eine Beschäftigung eines Mitarbeiters
Die Rentenversicherungspflicht entfällt, wenn der Selbstständige einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Dann wird keine Scheinselbstständigkeit mehr angenommen. Hintergrund dieser Eingruppierung ist, dass mit der Beschäftigung eines Mitarbeiters die wirtschaftliche Lage wesentlich günstiger eingestuft wird. Eine eigenständige Altersvorsorge ist aufgrund dieser (besseren) wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers möglich und die Schutzbedürftigkeit entfällt.
Unter einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer versteht man Personen, die gegen Entgelt beschäftigt werden. Dabei müssen Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Das bedeutet, dass der Mitarbeiter oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze verdienen muss. Die Geringfügigkeit sind die sog. Minijobs (im Jahre 2024 sind das Jobs mit einem Gehalt/Lohn bis max. 538,00 Euro pro Monat, aber dem Jahre 2025 steigt die Grenze auf 556,00 Euro) geregelt im § 5 Abs. 2 SGB VI in Verbindung mit § 8 SGB VI.
Werden mehrere Arbeitnehmer beschäftigt, können die Entgelte addiert werden – das Gesamtsumme muss die Geringfügigkeit je Mitarbeiter überschreiten. Die Beschäftigung der Mitarbeiter muss regelmäßig erfolgen. Eine kurzfristige Beschäftigung eines Arbeitnehmers oder mehrerer Arbeitnehmer erfüllt die Voraussetzungen für eine Rentenversicherungsfreiheit des Selbstständigen nicht. Regelmäßig bedeutet, dass entweder ein oder mehrere Arbeitnehmer mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag beschäftigt werden oder ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer durch einen neuen Arbeitnehmer zeitnah ersetzt wird. Kurze Unterbrechungen der Beschäftigungen sind unschädlich. Kann bei einer längeren Unterbrechung bewiesen werden, dass die Suche nach einer (qualifizierten) Kraft länger dauert, so ist diese Unterbrechung ebenfalls unschädlich. Es zählen auch Mitarbeiter, die berufliche Kenntnisse beim Selbstständigen erwerben wollen. Wird innerhalb des Beschäftigungsverhältnisses Elternzeit genommen oder ist ein Wehr- oder Zivildienst zu leisten, gelten diese Personen immer noch als sozialversicherungspflichtige Angestellte, soweit das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde. In diesem Fall wird die Deutsche Rentenversicherung das zuletzt bezahlte Entgelt als Grundlage zur Prüfung der Rentenversicherungspflicht des Selbständigen hinzuziehen. Zu beachten ist, dass der Mitarbeiter einen Bezug zur Selbstständigkeit direkt vorweisen kann, eine private Unterstützung, etwa eine Hilfe im Haushalt des Selbstständigen zählt nicht zur Selbstständigkeit.
2. Gewinn ist geringfügig
Versicherungsfreiheit besteht, solange der Gewinn des Selbstständigen die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet. Da die Deutsche Rentenversicherung stets die Steuerbescheide anfordert, wird der Jahresgewinn, der im Steuerbescheid ausgewiesen wird, als Grundlage herangezogen. Der Jahresgewinn (vereinfacht: Jahresumsatz abzüglich Kosten) wird dem Finanzamt gemeldet (selbst oder vom Steuerberater). Mehrere geringfügige Beschäftigungen werden addiert, nicht jedoch eine geringfügige selbständige Tätigkeit und eine Angestelltenposition bei der Beurteilung der Geringfügigkeit.
3. Ein Auftraggeber
Wird ein Selbständiger auf Dauer nur für einen Auftraggeber tätig, soll dies Rückschlüsse zur wirtschaftlichen Lage vorweisen und zum Abhängigkeitsverhältnis von einem Auftraggeber. Diese schwierige Situation verweist auf die Schutzbedürftigkeit und initiiert somit eine Rentenversicherungspflicht.
Als Auftraggeber gilt jede natürlich Person, Personengruppen oder eine juristische Person (zum Beispiel eine GmbH oder ein Konzern). Werden zwar für mehrere Unternehmen Aufträge erfüllt, stehen diese Unternehmen aber unter einer einheitlichen Leitung (zum Beispiel bei einem Konzern), so gilt diese Tätigkeit nur bei einem Auftraggeber als erfüllt. Beispiel: Es werden Aufträge erfüllt für verschiedene GmbHs, alle GmbHs werden von demselben Geschäftsführer geleitet, der auch erhebliche Anteile an den GmbHs besitzt = es handelt sich (sozialversicherungsrechtlich) um einen Auftraggeber mit dem Ergebnis, dass der Auftragnehmer (wenn auf Dauer und im Wesentlichen nur für diesen Auftraggeber tätig) rentenversicherungspflichtig ist.
Auch eine Tätigkeit für Produktpartner oder Kooperationspartner vom Stamm-Auftraggeber gelten nicht als eigenständige Auftraggeber, wenn der Auftragnehmer diese Arbeiten mit dem Alt-Auftraggeber vereinbart hat. Hierbei handelt es sich somit ebenfalls – im sozialversicherungsrechtlichen Sinne – um einen Auftraggeber. Typische Vereinbarungen, die für den Auftragnehmer zur Sozialversicherungspflicht führen, sind: Franchisesysteme, Direktvertriebe, Makler und vertragliche Dreiecksverhältnisse. Innerhalb von Franchisesystemen werden Verträge erstellt, die den Auftragnehmer verpflichten, ein bestimmtes Produkt oder dergleichen, für seine Tätigkeit zu nehmen bzw. zu verkaufen. Auch im Direktvertrieb werden Produkte im Namen von Auftraggebern verkauft und ggf. weitere Personen für den Direktvertrieb angeworben. Makler (nicht Handelsmakler), wie Immobilienmakler, Ehevermittler oder Hypotheken- und Darlehensmakler, handeln im Namen eines Auftraggebers und sind in einem Vertriebskonzept eingebunden. Ein sozialrechtliches Dreiecksverhältnis besteht, wenn zum Beispiel das Jugendamt Sozialleistungen nicht direkt an den Bedürftigen weitergibt, sondern dies durch einen externen freien Träger vollbringen lässt. Der freie Träger wäre somit der Auftraggeber für einen selbständigen Auftragnehmer, der die konkrete Durchführung übernimmt.
Ausnahmen: Ein einheitlicher Auftraggeber besteht nicht, wenn mehrere Unternehmen zum Beispiel nur in Form einer Kooperation oder sonstiger Gemeinschaft zusammengefasst werden. Hier tritt keine Sozialversicherungspflicht ein (BSG vom 09.11.2011 AZ: B 12 R 1/10 R). Oder auch es werden eigenständige Vereinbarungen mit dem Kooperations- bzw. Produktpartner des Alt-Auftraggebers vereinbart. Ist der Makler nicht verpflichtet, tätig zu werden, so besteht kein Auftragsverhältnis.
Wird im Vertrag zum Beispiel eine „Ausschließlichkeitsbindung“ vereinbart, ergibt dies ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Eine Ausschließlichkeitsbindung beschreibt eine vertragliche Verpflichtung eines Vertragspartners, seine Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise nur mit dem Vertragspartner durchzuführen. Oft wird diese Ausschließlichkeitsbindung mit Exklusivrechten versehen, etwa ein Alleinvertriebsrecht für einen bestimmten Ortskreis.
Scheinselbstständigkeit in einer Gesellschaft: Mitarbeitende Gesellschafter (soweit sie sozialversicherungsrechtlich selbststständig sind) einer Personen- oder Kapitalgesellschaft können ebenfalls nach § 2 Nr. 9 SGB rentenversicherungspflichtig werden. Die Mitarbeiter der Gesellschaft gelten allerdings als Mitarbeiter der Gesellschafter. Dem Gesellschafter zugeordnet werden allerdings auch die Auftraggeber der Gesellschaft. Wenn also die Gesellschaft auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist (und kein sozialversicherungspflichtiger Mitarbeiter beschäftigt wird), tritt Rentenversicherungspflicht für den Gesellschafter ein. Besonderheiten gelten bei der Verwaltungs-GmbH (ohne weiteren Unternehmenszweck), wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer unbeschränkt haftet innerhalb einer GmbH & Co KG. Die Betrachtung des jeweiligen Unternehmens (die GmbH und die KG) tritt in den Hintergrund, hier wird das Außenverhältnis der KG ermittelt und ob ein sozialversicherungspflichtiger Mitarbeiter beschäftigt wird.
4. Auf Dauer nur für einen Auftraggeber tätig
Die tatsächlichen Verhältnisse spielen eine übergeordnete Rolle bei der Prüfung, ob eine dauerhafte Tätigkeit bei einem Auftraggeber vorhanden ist. Dabei müssen neben den tatsächlich laufenden Aktivitäten auch berücksichtigt werden, ob (fast) die gesamte Arbeitskraft jetzt und in Zukunft (etwa durch weitere Aufträge beim selben Auftraggeber) gebunden wird. Auszug Bundestags-Drucksache (BT) 14/1855, S. 6f.: „Von einer Dauerhaftigkeit der Tätigkeit für einen Auftraggeber ist auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses für denselben Auftraggeber erfolgt. Hierbei sind neben den zeitlichen auch wirtschaftliche Kriterien zu beachten und branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen.“
Urteil vom LSG München vom 17.12.2015 AZ: L 14 R 579/14: „Es kommt darauf an, ob der Selbstständige nach seinem längerfristigen (jedoch auf weniger als drei Jahre angelegten – vgl. Fichte in Hauck/Haines, Rdnr. 83 zu § 2 SGB VI) Unternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern anstrebt und dies nach den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten auch erwartet werden kann. Letzteres ist dann nicht der Fall, wenn der Auftragnehmer für mehrere Auftraggeber tätig sein darf, dies aber nach den tatsächlichen Umständen nicht kann (BT-Drucks 14/1855 S 11; s. a. KassKomm § 2 SGB VI Anm. 39).“
Beispiele Rentenversicherungspflicht:
- BSG vom 04.11.2009 AZ: B 12 R 7/08: selbständiger Handelsvertreter mit einem Auftrag über 17 Monate bei einem Auftraggeber ist rentenversicherungspflichtig
- LSG Berlin-Brandenburg vom 13.12.2012 AZ: L 21 R 387/12 WA: selbständiger Informatiker mit einem Rahmenvertrag – Begrenzung lag oberhalb eines Jahres mit einem Auftraggeber – ist rentenversicherungspflichtig. Hintergrund war zunächst ein ITProjekt, sollte aber eine Fortführung „Pflege des IT-Projektes“ erfahren.
5. Im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig
Ein Auftragnehmer ist von einem Auftraggeber abhängig (und damit rentenversicherungspflichtig), wenn er mindestens fünf Sechstel seiner gesamten Betriebseinnahmen bei einem Auftraggeber erwirkt. Als Berechnungsgrundlage dienen alle Betriebseinnahmen aus allen selbständigen Tätigkeiten. Hierbei ist auf ein Kalenderjahr abzustellen (LSG Baden-Württemberg vom 19.02.2014 AZ: L 5 R 1684/13). Die 5/6tel-Prüfung wird auf der Grundlage der Betriebseinnahmen (nicht auf den Gewinn) abgestellt. Das bedeutet, dass nicht das Arbeitseinkommen (Betriebseinnahmen abzüglich Betriebsausgaben) die Grundlage bilden, sondern nur die Einnahmen. Die Vorlage eines Steuerbescheides ist somit nicht ausschlaggebend, da hier der Gewinn des Selbständigen eingetragen wird. Entgelte aus sonstigen Beschäftigungen (zum Beispiel aus einer Angestelltenposition) gehören nicht in die Bemessungsgrundlage (BSG vom 02.03.20210 AZ: B 12 R 10/09 R).
Beispiel: Ein Selbständiger ist als Versicherungsvertreter für ein Versicherungsunternehmen tätig und vermittelt daneben gelegentlich Immobilien für verschiedene Kunden. Folgende Betriebseinnahmen im Kalenderjahr sind zu verzeichnen:
- Versicherungsvertreter = 30.000 Euro
- Immobilien-Provision = 4.000 Euro
Berechnung: 30.000 Euro + 4.000 Euro = 34.000 Euro 5/6tel von 34.000 Euro = 28.333,33 Euro Ergebnis: Die Betriebseinnahmen von 30.000 Euro durch die Versicherungsvertretertätigkeit überschreiten die 5/6tel-Grenze. Der Selbständige ist somit rentenversicherungspflichtig. Quelle: Kommentar der Deutschen Rentenversicherung „Selbständige“
Ausnahme der Rentenversicherungspflicht für Scheinselbständige
Erst wenn alle drei Voraussetzungen vorliegen, greift die Versicherungspflicht. Im Umkehrschluss liegt also keine Versicherungspflicht vor, sobald eine Voraussetzung nicht erfüllt wird. Nochmals die Voraussetzungen:
- keine Beschäftigung eines Mitarbeiters UND
- auf Dauer nur für einen Auftraggeber tätig UND
- im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.
Keine Versicherungspflicht: Von einer dauerhaften Tätigkeit bei einem Auftraggeber ist grundsätzlich nicht auszugehen, wenn der Auftragnehmer innerhalb eines Jahres nacheinander für verschiedene Auftraggeber tätig ist und im Weiteren sich auch keines der Auftragsverhältnisse regelmäßig wiederholt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Auftraggeber entfällt, wenn dieser Auftraggeber lediglich Dienstleistungen erbringt. Diese Dienstleistungen sind zum Beispiel die Abrechnungen erstellen und den Inkassodienst übernehmen, die Leistungen werden vom Auftragnehmer bezahlt. Wichtig ist, dass der Auftragnehmer nicht zu Leistungen verpflichtet wird und in einem Unternehmens-Netz verflochten wird (LSG Baden-Württemberg vom 19.02.2014 AZ: L 5 R 1684/13).
Befreiung von der Versicherungspflicht
6 Abs. 1a SGB VI – Auszug: (1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit
- für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
- nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.
Ab Aufnahme selbständige Tätigkeit: Es ist die Möglichkeit vorhanden, sich vorübergehend von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen (BSG vom 04.11.2009 AZ: B 12 R 7/08R). Hintergrund ist, dass Personen in einer Existenzgründungs- oder Aufbauphase häufig nur eine zeitlang die Voraussetzungen zur Rentenversicherungspflicht erfüllen. Voraussetzung zur Befreiung ist, dass nach § 2 Nr. 9 SGB VI auch tatsächlich eine Versicherungspflicht besteht. Es muss somit zunächst die Versicherungspflicht festgestellt werden. Anschließend (oder gleichzeitig) kann ein Antrag auf Befreiung gestellt werden,
- für die ersten drei Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit (wenn die ersten drei Jahre noch nicht abgelaufen sind) UND
- es sich um die erstmalige oder auch zweitmalige Aufnahme der Tätigkeit handelt UND
- der Antrag fristgerecht eingereicht wird.
Die Befreiung ist für die erste selbständige Tätigkeit nach § 2 Nr. 9 SGB VI möglich. Auch eine zweite Tätigkeit nach den genannten Kriterien kann befreit werden. Bei der zweiten Tätigkeit muss allerdings (rechtlich) auch eine Neugründung vorliegen. Eine bloße Änderung der ersten Tätigkeit, etwa durch Umbenennung des Unternehmens, erfüllt die Voraussetzungen nicht.
Ab Vollendung des 58. Lebensjahres: Auch nach Vollendung des 58. Lebensjahres ist eine Befreiung möglich – hier auch eine dauerhafte Befreiung, wenn
- festgestellt worden ist, dass es sich um eine Tätigkeit nach § 2 Nr. 9 SGB VI handelt und Versicherungspflicht vorliegt UND
- das 58. Lebensjahr vollendet ist UND
- vor der Vollendung des 58. Lebensjahres eine selbständige Tätigkeit ausgeübt worden ist und erstmalig nach Vollendung des 58. Lebensjahres Versicherungspflicht eintritt UND
- der Antrag fristgerecht eingereicht wird.
Es muss sich nicht um die gleiche Tätigkeit vor und nach dem 58. Lebensjahr handeln. Auch ist es möglich zum Beispiel nach dem Ausscheiden aus der (eigenen) Firma noch einen Beratervertrag abzuschließen mit also einem Auftraggeber (der bisherigen Firma). Allerdings muss der Wechsel „lückenlos“ erfolgen. Unterlag die bisherige selbständige Tätigkeit der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 9 SGB VI und es wurden Pflichtbeiträge gezahlt, ist eine dauerhafte Befreiung nach dem 58. Lebensjahr nicht möglich, da der Tatbestand „erstmalig“ nicht vorliegt.
Checkliste zur Ausgestaltung der Tätigkeit bei Selbstständigen
Umfangreiche Darstellung mit Beispielen im Buch