Widerspruch gegen einen Bescheid

Gegen Bescheide einer Behörde (Deutsche Rentenversicherung oder die gesetzlichen Krankenkassen etc.) kann ein Widerspruch eingelegt werden. Ein Bescheid ist die rechtsverbindliche Feststellung eines Sachverhaltes (§ 31 SGB X). Der Bescheid wird nach Zugang wirksam. Bei Versand durch die Post gilt der Zugang der dritte Tag nach Versand der Mitteilung. Wird der Zugang bestritten, muss die Behörde den Zugang nachweisen.

Gegen einen Bescheid einer Sozialbehörde muss zunächst ein Widerspruch eingelegt. Dies gilt als Vorverfahren nach § 78 Abs. 1 SGG, eine sofortige Klage ist nicht zulässig. Am Ende eines Bescheides muss eine „Rechtsbehelfsbelehrung“ stehen. Hier wird aufgeführt, welche Rechtsmittel möglich sind und bis wann der Widerspruch bei der Behörde eingehen muss.

Keine Pflicht, sich von einem Rechtsanwalt oder Rentenberater vertreten zu lassen

Für einen Widerspruch ist kein Rechtsanwalt nötig. Auch entstehen keine Kosten, bei einer Behörde einen Widerspruch gegen einen Bescheid einzulegen.

Widerspruchsfrist

Die Widerspruchsfrist im Inland beginnt am Tag nach der Bekanntgabe des Bescheides und beträgt einen Monat. Wird der Widerspruch per Post mit einfachem Brief versandt, gilt eine Zustellungsfrist von drei Tagen – siehe wie eben erläutert.

Beispiel:

Der Bescheid wird von der gesetzlichen Krankenkasse am 19.06. versandt und per Brief zugestellt. Als Zugegangen gilt dieser Brief somit am 22.06. Am darauffolgenden Tage beginnt die Widerspruchsfrist, somit am 23.06. und endet am 22.07.

Wurde die Rechtsbehelfsbelehrung nicht ordnungsgemäß erstellt oder sie fehlt, so ändert sich die Frist (nicht der Bescheidinhalt), bis zu dem der Widerspruch bei der Behörde eingehen muss.

  • Die „normale“ Widerspruchsfrist beträgt einen Monat.
  • Antragsteller, die im Ausland leben, müssen innerhalb von drei Monate einen Widerspruch einlegen.
  • Wurde der Bescheid nicht ordnungsgemäß ausgestellt (Rechtsbehelfsbelehrung fehlt), so verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr.

Widerspruchsfrist versäumt

Konnte die Widerspruchsfrist nicht eingehalten werden, besteht die Möglichkeit nach § 67 SGG “Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand”. Der Antrag kann bei der Behörde gestellt werden, wenn die Frist unverschuldet nicht eingehalten werden konnte. So könnte wegen einer längeren schweren Krankheit der Bescheidempfänger nicht in der Lage gewesen sein, den Widerspruch einzulegen bzw. eine Person mit der Ausführung zu beauftragen. Ein Formfehler (Begründung im Bescheid fehlt) nach § 41 SGB X führt ebenfalls zu einer Fristverlängerung. Auch eine Abwesenheit von bis zu sechs Wochen (Urlaub) kann als Grund gelten (BSG, Urteil vom 24.08.1976, 8 RU 130/75). Die Gründe sind nachzuweisen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand muss innerhalb eines Monats gestellt werden. Die Monatsfrist beginnt nach Wegfall des Hinderungsgrundes. Der Antrag geht an die ausstellende Behörde des Bescheides der angefochten werden soll. Die Frist verlängert sich auf ein Jahr, falls höhere Gewalt vorliegt.

Widerspruchsbegründung

Eine Widerspruchsbegründung kann – ggf. aus Zeitgründen – zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Um genau erkennen zu können, warum die Behörde einen Bescheid erlassen hat, der angefochten werden soll, wäre es ratsam, die Akte von der Behörde einzufordern. Die Akte enthält alle maßgeblichen Sachverhalte, die zu der Entscheidung, die im Bescheid dargelegt wird, geführt hat. Nach § 25 SGB X ist es möglich, die eigene Akte bei der entsprechenden Behörde bzw. deren Beratungsstellen einzusehen. Im Widerspruchsverfahren ist § 120 SGG analog anzuwenden. Hier gilt, dass die Akten an den Widerspruchsführer versandt werden (können), allerdings nicht an Privatpersonen (BT-Drucksache 11/817, Seite 143). 

Der Bescheid enthält (in den meisten Fällen) eine detaillierte Begründung, warum der Bescheid so erlassen worden ist (zum Beispiel, warum eine Nachzahlung von Beiträgen zu leisten ist). In der Widerspruchsbegründung ist darzulegen, warum die Angaben der Behörde nicht richtig sein können.

Behörde (zum Beispiel die Rentenversicherung) entscheidet nicht

Die Behörde muss innerhalb von drei Monaten (bei einem laufenden Widerspruchsverfahren) über den angefochteten Bescheid entscheiden. Stehen wesentliche Punkte gegen eine Fristeinhaltung, so ist die Behörde angehalten, den Bescheidempfänger bzw. betroffenen Versicherten entsprechend zu informieren. Fehlen derartige Informationen kann nach sechs Monaten eine Untätigkeitsklage bei einem Sozialgericht eingereicht werden (§ 88 SGG). Eine Untätigkeitsklage beinhaltet die Aufforderung über einen Antrag (Widerspruch) zu entscheiden, die Untätigkeitsklage ist nicht geeignet, ein bestimmtes Ergebnis einzuklagen.

Widerspruchsbescheid

Der im Widerspruchsverfahren angefochtene Bescheid wird von der Behörde auf Recht- und Zweckmäßigkeit schließlich geprüft. Werden Fehler festgestellt, so wird der Bescheid korrigiert – es ergeht ein Abhilfebescheid. Werden keine Fehler festgestellt, wird der Widerspruch an den Widerspruchsausschuss weitergeleitet. Die Ausschüsse entscheiden mit Stimmenmehrheit und können die Bescheide der Behörde akzeptieren, ändern oder überprüfen lassen. Eine Überprüfung erfolgt häufig bei medizinischen Sachverhalten.

Wurde der Bescheid gemäß dem Antrag im Widerspruchsverfahren abgeändert, kann – falls rechtliche Hilfe in Anspruch genommen wurde – die Behörde aufgefordert werden, die Kosten der Rechtshilfe zu übernehmen. Die “Abrechnung” mit der Behörde übernimmt im Regelfall der Rechtsanwalt bzw. der Rentenberater. Die Kostenerstattung erfolgt in Höhe einer sog. Rahmengebühr nach RVG (Rechtsanwaltsgebührenverordnung).

Gegen einen ablehnenden Widerspruchsbescheid kann innerhalb einer Frist Klage beim zuständigen Sozialgericht eingelegt werden.

 

Weitere Informationen:

Klage vor einem Sozialgericht

Detaillierte Informationen zu Widerspruch und Klage, Klagevertreter etc. in den Büchern

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