Klage nach erfolglosem Widerspruch

 

Klage beim Sozialgericht einreichen

Wurde ein Ablehnungsbescheid gegen den Widerspruch von der Behörde gesandt, so kann der Versicherte bzw. Bescheidempfänger Klage beim Sozialgericht einreichen. Auch vor einem Sozialgericht ist – wie bei einem Widerspruch bei einer Behörde – kein Anwaltszwang vorgesehen. Dennoch ist es natürlich möglich, einen Rechtsanwalt (ggf. Fachanwalt für Sozialrecht) oder einen Rentenberater mit der Klagedurchführung zu beauftragen.

Im Ablehnungsbescheid muss eine Rechtsbehelfsbelehrung erkennbar sein. Es muss aufgeführt werden, bei welchem Sozialgericht bis wann eine Klage eingereicht werden kann.

Klagefrist

Nach Zugang des Ablehnungsbescheides im Rahmen des Widerspruchsverfahrens besteht eine Frist für die Einreichung einer Klage von einem Monat. Liegt der Wohnsitz des Bescheidempfängers im Ausland verlängert sich die Frist auf drei Monate. Wurde der Bescheid nicht ordnungsgemäß ausgestellt (zum Beispiel fehlt die Rechtsbehelfsbelehrung), so verlängert sich die Frist zur Einreichung der Klage auf ein Jahr. Die Klagefrist im Inland beginnt am Tag nach der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides und beträgt, wie oben erläutert, einen Monat.

Die Klage muss schriftlich zum zuständigen Sozialgericht gesandt werden. Die Klage kann allerdings auch mündlich direkt bei Gericht eingereicht werden (bei der Rechtsantragsstelle). Auch hier kann die Begründung, wie beim Widerspruch, nachgereicht werden.

Klage einreichen

Das Klageschreiben kann wie folgt aussehen:

“ Gegen den Erstbescheid der Behörde XY vom Datum… habe ich fristgerecht Widerspruch eingelegt. Mit Bescheid vom Datum… der Behörde XY wurde mein Widerspruch abgelehnt.

Ich erhebe deshalb Klage gegen die Bescheide. Die Begründung folgt mit separatem Schreiben.“

Unterschrift

Klagebegründung

Bei Sozialgerichten wird zwar von Amts wegen ermittelt, dennoch ist es ratsam, Dokumente, die den Sachverhalt erläutert und auch dazu beitragen, dass die Klage erfolgreich durchgeführt werden kann, beizulegen. Besonders ist darauf zu achten, dass die Gründe, die zur Ablehnung der Behörde geführt haben, aufgegriffen werden und diesen im Detail mit Begründung widersprochen wird.

Beispiel:

„Zur Klage vom …. gegen…. 

Es wird beantragt, festzustellen, dass eine Erwerbsminderung vorliegt.

Begründung:

Ich beantragte am …. eine Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Mit Bescheid vom … erklärte die Deutsche Rentenversicherung (Beklagte), dass keine Erwerbsminderung vorliegt, da die medizinischen Voraussetzungen nicht vorliegen. Es wurde fristgerecht Widerspruch eingelegt.

Im Widerspruchsverfahren wurden vom Gutachter der Deutschen Rentenversicherung, Herr.., die Beurteilung meines Gesundheitszustandes nicht ausreichend festgestellt. Wesentliche Gutachten, wie …………, wurden nicht berücksichtigt. In diesen Gutachten wird eine deutliche Einschränkung meiner Erwerbsfähigkeit festgestellt. Ich verweise insbesondere auf das Gutachten…, hier wird aufgeführt, dass nur noch ein Restleistungsvermögen von unter drei Stunden pro Tag vorhanden ist (siehe Anlagen).

Vor diesem Hintergrund ist antragsgemäß zu entscheiden.

(Unterschrift)

Sozialgericht – Ablauf eines Gerichtstermins

Die Sozialgerichte sind dreistufig aufgebaut. Die erste Instanz sind grundsätzlich die Sozialgerichte (mit einem Berufsrichter und ehrenamtlichen Richtern besetzt). Die Klage nach erfolglosem Widerspruch geht an diese Sozialgerichte. Die weiteren Gerichte sind die Landessozialgerichte und schließlich das Bundessozialgericht.

Vor dem Sozialgericht gibt es den sog. Amtsermittlungsgrundsatz (§103 SGG). Das Gericht muss von Amts wegen eigene Ermittlungen durchführen. Wurde durch das Gericht ausreichend ermitteln, kann es zu einem Erörterungstermin kommen. Im Erörterungstermin wird meistens auch eine Beweisaufnahme durchgeführt – zum Beispiel Zeugenvernehmung – und es besteht die Möglichkeit, dass die Angelegenheit besprochen wird. In diesem Erörterungstermin legt das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Klägers dar.

Als Ergebnis kann der Gegner den Anspruch des Klägers bzw. Bescheidempfängers anerkennen oder nur teilweise anerkennen oder ablehnen. Der Kläger kann weiter die Klage aufrecht halten oder die Klage zurücknehmen oder es wird ein einvernehmlicher Vergleich geschlossen. Ein weiterer Beendigungsgrund ist der Erlass eine Gerichtsbescheids (ersetzt das Urteil). Diese Form wird gewählt, wenn alle Fragen geklärt sind, keine rechtlichen Fragen mehr anstehen und der Gerichtsbescheid ergehen kann.

Als Ergebnis kann auch ein anschließender Verhandlungstermin sein, wenn weder der Erörterungstermin noch auf schriftlichem Wege eine Einigung erzielt werden konnte. Hier sind ein Berufsrichter und zwei Laienrichter (ehrenamtliche Richter) anwesend. Der Berufsrichter informiert die Laienrichter über den Sachverhalt, über die Anträge und bisherigen Ermittlungen und vorliegende Gutachten. Anschließend werden die Parteien befragt. Die Beendigung kann von den Parteien ebenso erfolgen, wie oben erwähnt. Wird keine Einigung geschlossen, ziehen sich die Richter zur Beratung zurück – und anschließend wird ein Urteil verkündet mit mündlicher Begründung. Das Urteil wird den Parteien schriftlich zugestellt. Wie auch der Widerspruchsbescheid enthält das Urteil eine Rechtsbehelfsbelehrung mit den Hinweisen, ob und wo noch weitere Rechtsmittel eingelegt werden können – zum Bespiel Berufung bei einem Landessozialgericht.

Nichterscheinen vor Gericht

Mindestens zwei Wochen vor  einer mündlichen Verhandlung erhalten die Parteien, Kläger, Beklagter und die Vertreter, eine Terminmitteilung für eine mündliche Verhandlung (Sitzungstag, Uhrzeit, Sitzungssaal). Vom Gericht kann das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet werden (§ 111 SGG). Notwendige Kosten werden auf Antrag erstattet (Formular liegt der Einladung bei).

Wird der Termin vom Kläger nicht wahrgenommen und liegt auch keine Entschuldigung vor, so kann (nicht muss) ein Ordnungsgeld (§ 202 SGG iVm § 141 ZPO) verhängt werden. Das Ordnungsgeld des Gerichts ist eine Ermessensentscheidung. Das bedeutet, dass das Gericht nur bei einem Nichterscheinen des Klägers ein Ordnungsgeld verhängen kann, wenn dadurch ggf. das Verfahren verzögert oder wichtige Sachverhalte nicht aufgeklärt werden können (Bayr. LSG Urteil vom 10.11.2022, L 2 AS 492/22 B). Bei nachvollziehbaren Verhinderungsgründen wird der Termin verschoben.

Eine Krankmeldung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) reicht im Normalfall nicht aus. Es wird seitens vom Gericht geprüft, ob Verhandlungsunfähigkeit oder Wegeunfähigkeit vorliegt. Das Bundesverfassungsgericht hat z.B. wesentliche Anforderungen an die medizinische Verhandlungsunfähigkeitsbescheinigung bzw. Wegeunfähigkeitsbescheinigung dargelegt (zum Beispiel BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22.09.1993 – 2 BvR 173/93). Aus dem ärztlichen Attest muss somit vom Sozialgericht überprüfbare Tatsachen ablesbar sein, die dem Patienten bzw. Kläger es unmöglich machen, an der Verhandlung teilzunehmen bzw. die Reise dahin antreten zu können.

Wurde kein persönliches Erscheinen angeordnet, ist eine Teilnahme nicht erforderlich. Da die Sitzungen grundsätzlich öffentlich sind, kann jeder Interessierte den Termin als Zuhörer wahrnehmen. Für die Nichteingeladenen wird allerdings keine Kostenerstattung gezahlt. Prozessbevollmächtigte des Klägers und Vertreter der Beklagten erhalten ebenfalls eine Einladung zur mündlichen Verhandlung.

Medizinisches Gutachten

Reichen die vorhandenen medizinischen Unterlagen für eine weitere Prozessführung nicht aus, so wird häufig ein weiteres Gutachten verlangt. Dies kann entweder vom Gericht (§ 106 SGG) oder vom Kläger selbst (§ 109 SGG) beantragt werden.

Wurde die gesundheitliche Darstellung und deren Schwere sowie die Auswirkungen bisher nicht deutlich bzw. umfassend genug dargestellt, so kann der Kläger selbst jederzeit während des Gerichtsverfahrens eine (oder mehrere) Begutachtungen beantragen. Dabei ist es möglich, sowohl die Gutachterstelle als auch das Fachgebiet selbst zu bestimmen. Zu empfehlen ist, eine fachkundige Stelle, etwa ein Krankenhaus oder einen unabhängigen medizinischen Verband, mit der Erstellung zu beauftragen, damit das neue Gutachten eine unabhängige medizinisch fundierte Darstellung des Krankheitszustandes deutlich zum Ausdruck bringen wird. Sozialgerichte dürfen diese Anträge auf ein (neues) Gutachten nicht ablehnen (LSG NRW 29.01.03, L 10 SB 97/02).

Die Kosten hat der Kläger selbst zu tragen. Ggf. übernimmt eine vorhandene Rechtsschutzversicherung die Gebühren. Zu beachten ist, dass derartige Gutachten meist über 3.000 Euro Honorarkosten verursachen. Unter Umständen kann auch eine Übernahme der Gebühren durch die Staatskasse erfolgen. Allerdings ist die Voraussetzung, dass das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von Bedeutung ist und die Sachaufklärung objektiv in wesentlicher Weise gefördert hat. Gegen eine Übernahme der Gutachterkosten spricht, wenn derartige medizinische Erkenntnisse einfacher bzw. kostengünstiger hätten geklärt werden können (LSG Niedersachsen-Bremen, L 13 SB 71/20 B, Beschluss vom 12.08.2020).

Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes ist das Gericht verpflichtet, sich zu Beginn des Gerichtsverfahrens umfassend über den Gesundheitszustand des Klägers (Bescheidempfängers) zu informieren. Unterstützt wird dies zunächst durch die bereits vorhandenen Dokumente medizinischer Fachleute. Ergänzend kann das Gericht ein weiteres Gutachten anfordern. Die Anforderung erfolgt ggf. bereits vor Prozessbeginn oder während des Verfahrens, weil die Aussagen der beiden Parteien die offenen Fragen nicht eindeutig beantworten können. Das zusätzlich angeforderte Gutachten ist für den Kläger kostenfrei (siehe oben).

Bei einem Urteil wird durch das Gericht auch über die Verteilung der außergerichtlichen Kosten (Rechtsanwalt, Rentenberater usw. des Klägers bzw. Bescheidempfängers) entscheiden. Die Höhe richtet sich nach einer gesetzlichen Rahmengebühr (RVG, Rechtsanwaltsvergütungsverordnung). Dem Grund nach muss der „Verlierer“ die Rahmengebühren tragen.

 

Weitere Informationen:

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